DJ Rap (wirklicher Name Charissa Saverio) ist eine Diva, die nicht nur anderen
Frauen, sondern auch den Männern, den Löwen im Dschungel, bestimmt einiges über
Durchsetzungsvermögen beibringen könnte. Denn in wahrster englischer Frauen-tradition
(man siehe die Suffragetten, Margaret Thatcher etc.) hat sich DJ Rap mit ihrem
schwergewichtigem, monumentalen Sound durch die Männerwelt geboxt und triumphiert.
Inzwischen gehört sie zur Liga der global anerkannten Jungle-DJ's und Produzenten.
Heute London, morgen Japan, übermorgen Deutschland. So wie sie es sich während
ihrer -Jugend als Weltreisende vorgestellt haben möchte.
Dennoch vergisst sie nie ihre Wurzeln zu London wo sie die meiste Zeit als stereo-typische
Jungle-WorkaholicIn verbringt. Davon zeugen die Erfolge ihrer beiden Jungle-Labels,
das kommerziell orientierte Proper Talent und das für neues Talent beiseite-gelegte
Low Key Records, sowie die Überzeugungsfähigkeit ihres Gesang-talentes für welches
sie in Kürze einen Major-Vertrag erhalten und abschließen wird.
Aber keine Angst, DJ Rap wird sich nicht für Pfennige ausverkaufen lassen; sie
ist nämlich eine resolute Frau, die sich nichts nehmen lassen wird, erst recht
nicht ihre Argumentation für den stillschweigend verbotenen Pakt mit der Industrie. Du führst jetzt fast drei Jahre Dein erstes Label Proper Talent und seit
ungefähr einem halben Jahr Low Key Records. Wie kam es dazu, ein eigenes
Label zu gründen obwohl Du lange Zeit für das durchaus renommierte Suburban
Base Records produziert hast?
DJ Rap: Es fing damit an, daß ich mich dazu entschlossen hatte, in das Musikgeschäft
einzusteigen nachdem ich vier Jahre lang nichts getan hatte außer mir den
Arsch abzuraven. Ich wollte unbedingt all diese wahnsinnig hippen Menschen kennenlernen
und sie mit ihren eigenen Waffen - als DJ und als Produzent - schlagen.
Mein erstes Stück hieß "The Adored" und war ein Ambient Track
auf Raw Bass Records. Das ist sogar in die Charts gekommen. Dann habe ich ein
Track zusammen mit Future Sound of London unter dem Namen Kodakoma auf Jumpin'
& Pumpin' rausgebracht und danach war dann "Divine Rhythm" auf Reverb
Records. Ich wurde für alle von diesen Platten abgerippt also bin ich zu
Suburban Base rübergewechselt wo ich einige Hits hatte, u.a. Jeopardy und
Vertigo.
Ich entschloß kurz danach, mein eigenes Label zu gründen und so wurde
Proper Talent geboren. Das erste Stück war ja "Spiritual Aura".
Jetzt muß ich niemandem etwas zahlen, ich habe mein eigenes Studio (in dem
sie 24 Stunden am Tag sitzt...)...
Es bringt nichts, zu irgendeinePlattenfirma zu signen, es sei denn es ist ein
Major. Als Künstler darfst Du nämlich 50% Deinem Label geben und wenn
Du mit jemandem zusammen etwas produzierst, bekommst Du im End Effekt nur ein
Viertel!
Das mag zwar sein, aber mit einem Major-Deal mußt Du bestimmt weitaus mehr
als nur Geld einbüßen!?
DJ Rap: Ich werde jetzt demnächst einen Vertrag mit einem Major abschließen
weil wenn sie Dir so einen Vertrag anbieten, wollen sie Dich auch haben. Sie müssen
diesen Vertrag also nach Deinen Wünschen richten.
Sowieso schließe ich diesen Vertrag nicht für meine Jungle Stücke
ab, sondern für meine Lieder. Die müssen Dir einen Deal machen, der
Dich auch zufriedenstellt sonst kannst Du keine Musik produzieren, die ihnen so
wie Dir viel Geld einbringt. So bald Du irgendwas hast, das sie wollen, machen
sie auch alles, was Du willst.
Glaubst Du, daß ich einen Major-Vertrag unterzeichnen würde, wenn ich
nicht das machen könnte, was ich wirklich wollte! Keine Sorge, vertraue mir!
Für mich ist das eine sehr ernste Sache, wie eine lebenslange Verpflichtung
und wenn ich nicht zufrieden bin mit dem, was sie mir anbieten wollen, dann vergiß
es.
Um zum Jungle zurückzukommen: das bleibt eine kleine Sache für mich.
Ich möchte nicht, daß sich irgendjemand um meine Jungle-Musik bemüht.
Das führe ich und ich brauche keine Hilfe von jemandem anders, vielen Dank!
Ich rate auch jedem, der Musik macht, es auf seinem eigenem Label zu veröffentlichen.
Bleiben wir beim Thema Kommerz. Welches Interesse hast Du verfolgt bei der
Titulierung Deiner LP "Intelligence"? Das Wort ist ja schließlich
1996 zu einem verkaufsfördernden diskriminierenden Schlagwort avanciert.
DJ Rap: Als ich die Platte produziert habe, gab es noch nicht diesen Lärm
um "intelligent jungle". Aber sie ist grundsätzlich eine intelligente
Platte, die dafür gedacht ist, sich nach einem Rave anzuhören. Es bedarf
schon eines Gehirns, um sie anzuhören. Es ist für Leute, die Musik geniessen
wollen. Du wirst mich sowieso nicht dazu bringen, den Titel zu ändern, weil
die Platte schon raus ist.
Aber Du kannst nicht behaupten, daß der Titel ein kommerzielles Interesse
verfolgt. Das funktioniert nicht so weil die Musik, die wir machen nie in die
Charts kommen wird. Ich mache keine Musik für die Charts sondern für
den Underground; zusätzlich ist diese Platte auf meinem eigenem Label erschienen.
Viel mehr underground geht's nicht!
Und der Sponsoring-Deal mit Caterpillar Stiefel?
DJ Rap: Die haben mich angerufen weil sie gesehen haben, daß ich ihre Stiefel
trage. Kein Vertrag!
Ist das aber nicht eines von vielen Beispielen wie Jungle bzw. Techno im allgemeinen
für Firmenwerbung aufgekauft wird?
DJ Rap: Ich schlage halt Kapital daraus, daß ich eine Frau bin, die nicht
häßlich ist, und die alles das bekommt, was sie verdient hat. Ich brauche
die Publicity für meine LP und da ergibt es doch einen Sinn, wenn mein Gesicht
auf Riesenrklamen in ganz London zu sehen ist. Gratis Werbung! Da steckt schon
etwas dahinter, wenn ich solche Aktionen bringe.
Als Frau, die sich offensichtlich weiß durchzusetzen, wie leicht hattest
Du den Aufstieg in dieser Szene, die so sehr männer-dominiert ist?
DJ Rap: Mir wurden Sachen eher schwieriger gemacht, nicht einfacher bloß
weil ich ein Mädchen bin. Ich mußte um alles kämpfen, das ich
bis jetzt erreicht habe und das ist auch gut so.
In einer von Männern dominierte Szene muß ich mit guten Stücken
ankommen sonst würde mir niemand dub-plates zum pressen geben. Es ist echt
schwierig. Ich muß mich gegen den besten der Welt durchschlagen und sie
sind alles Männer. Dann muß ich nicht nur gute Musik liefern, sondern
auch noch gutes Gras!
Dir hat also auch niemand beim Produzieren geholfen?
DJ Rap: Niemand. Ich habe es mir alles selber beigebracht. Ich habe immer mein
Zeug selber gemacht. Ich war auf der Fachhochschule und habe Produktionstechniken
dort gelernt. Eine Person, die mir viel weitergeholfen hat, war Pete Voyager,
mit dem ich die LP produziert habe. Aber davor und danach sind meine Stücke
auch wirklich meine eigenen!
Glaubst Du, daß Du, als eine der wenigen Frauen im Jungle-DJ-Zirkus,
als Idol von manchen Mädchen angesehen wirst?
DJ Rap: Eigentlich denke ich nicht darüber nach. Ich hoffe nicht; was wäre
ich für ein Vorbild, Junkie und Alkoholikerin? Ich weiß nur, daß
als ich die erste Frau hinter den Decks gesehen habe, daß ich gedacht habe,
daß wenn SIE das machen kann, kann ich es auch, und besser. Ich glaube,
daß ich den Einstieg für viele Mädchen DJ's erleichtert habe und
da sind auch einige auf die man achten werden muß in den nächsten Monaten...
Das Interview führte Oli Koehler für Pressure URL dieses Dokuments:
http://www.future-music.net/stage/interviews/djrap1997/